Мегаобучалка Главная | О нас | Обратная связь


Nachts schlafen die Ratten doch



2019-10-11 480 Обсуждений (0)
Nachts schlafen die Ratten doch 0.00 из 5.00 0 оценок




Das hohle Fenster in der vereinsamten Mauer gähnte blaurot voll früher Abendsonne. Staubgewölke flimmerte zwischen den steilgereckten Schornsteinresten. Die Schuttwüste döste.

Er hatte die Augen zu. Mit einmal wurde es noch dunkler. Er merkte, dass jemand gekommen war und nun vor ihm stand, dunkel, leise. Jetzt haben sie mich! dachte er. Aber als er ein bisschen blinzelte, sah er nur zwei etwas ärmlich behoste Beine. Die standen ziemlich krumm vor ihm, dass er zwischen ihnen hindurchsehen konnte. Er riskierte ein kleines Geblinzel an den Hosenbeinen hoch und erkannte einen älteren Mann. Der hatte ein Messer und einen Korb in der Hand. Und etwas Erde an den Fingerspitzen.

Du schläfst hier wohl was? fragte der Mann und sah von oben auf das Haargestrüpp herunter. Jürgen blinzelte zwischen den Beinen des Mannes hindurch in die Sonne und sagte: Nein, ich schlafe nicht. Ich muss hier aufpassen. Der Mann nickte: So, dafür hast du wohl den großen Stock da?

Ja, antwortete Jürgen mutig und hielt den Stock fest.

Worauf passt du denn auf?

Das kann ich nicht sagen. Er hielt die Hände fest um den Stock.

Wohl auf Geld, was? Der Mann setzte den Korb ab und wischte das Messer an seinem Hosenboden hin und her.

    Nein, auf Geld überhaupt nicht, sagte Jürgen verächtlich. Auf ganz etwas anderes.

Na, was denn?

    Ich kann es nicht sagen. Was anderes eben.

    Na, denn nicht. Dann sage ich dir natürlich auch nicht, was ich hier im Korb habe. Der Mann stieß mit dem Fuß an den Korb und klappte das Messer zu.

    Pah, kann mir denken, was in dem Korb ist, meine Jürgen geringschätzig, Kaninchenfutter.

    Donnerwetter, ja! sagte der Mann verwundert, bist ja ein fixer Kerl. Wie alt bist du denn?

    Neun.

    Oha, denk mal an, neun also. Dann weißt du ja auch, wie viel drei mal neun sind, wie?

    Klar, sagte Jürgen und um Zeit zu gewinnen, sagte er noch: Das ist ja ganz leicht. Und er sah durch die Beine des Mannes hindurch. Dreimal neun, nicht? fragte er noch mal, siebenundzwanzig. Das wusste ich gleich.

    Stimmt, sagte der Mann, genau so viel Kaninchen habe ich.

    Jürgen machte einen runden Mund: Siebenundzwanzig?

    Du kannst sie sehen. Viele sind noch ganz jung. Willst du?

    Ich kann doch nicht. Ich muss doch aufpassen, sagte Jürgen unsicher.

    Immerzu? fragte der Mann, nachts auch?

    Nachts auch. Immerzu. Immer. Jürgen sah an den krummen Beinen hoch. Seit Sonnabend schon, flüsterte er.

    Aber gehst du denn gar nicht nach Hause? Du musst doch essen.

    Jürgen hob einen Stein hoch. Da lag ein halbes Brot. Und eine Blechschachtel.

    Du rauchst? fragte der Mann, hast du denn eine Pfeife?

    Jürgen fasste seinen Stock fest an und sagte zaghaft: Ich drehe. Pfeife mag ich nicht.

Schade, der Mann bückte sich zu seinem Korb, die Kaninchen hättest du ruhig mal ansehen können. Vor allem die Jungen. Vielleicht hättest du dir eines ausgesucht. Aber du kannst hier ja nicht weg.

Nein, sagte Jürgen traurig, nein, nein.

Der Mann nahm den Korb und richtete sich auf. Na ja, wenn du hierbleiben musst - schade. Und er drehte sich um. Wenn du mich verrätst, sagte Jürgen da schnell, es ist wegen den Ratten.

Die krummen Beine kamen einen Schritt zurück: Wegen den Ratten?

Ja, die essen doch von Toten. Von Menschen. Da leben sie doch von.

Wer sagt das?

Unser Lehrer.

Und du passt nun auf die Ratten auf? fragte der Mann.

Auf die doch nicht! Und dann sagte er ganz leise: Mein Bruder, der liegt nämlich da unten. Da. Jürgen zeigte mit dem Stock auf die zusammengesackten Mauern. Unser Haus kriegte eine Bombe. Mit einmal war das Licht weg im Keller. Und er auch. Wir haben noch gerufen. Er war viel kleiner als ich. Erst vier. Er muss hier ja noch sein. Er ist doch viel kleiner als ich.

Der Mann sah von oben auf das Haargestrüpp. Aber dann sagte er plötzlich: Ja, hat euer Lehrer euch denn nicht gesagt, dass die Ratten nachts schlafen?

Nein, flüsterte Jürgen und sah mit einmal ganz müde aus, das hat er nicht gesagt.

Na, sagte der Mann, das ist aber ein Lehrer, wenn er das nicht mal weiß. Nachts schlafen die Ratten doch. Nachts kannst du ruhig nach Hause gehen. Nachts schlafen sie immer. Wenn es dunkel wird, schon.

Jürgen machte mit seinem Stock kleine Kuhlen in den Schutt.

Lauter kleine Betten sind das, dachte er, alles kleine Betten. Da sagte der Mann (und seine krummen Beine waren ganz unruhig dabei): Weißt du was? Jetzt füttere ich schnell meine Kaninchen und wenn es dunkel wird, hole ich dich ab. Vielleicht kann ich eins mitbringen. Ein kleines oder, was meinst du?

Jürgen machte kleine Kuhlen in den Schutt. Lauter kleiner Kaninchen. Weiße, graue, weißgraue. Ich weiß nicht, sagte er leise und sah auf die krummen Beine, wenn sie wirklich nachts schlafen.

Der Mann stieg über die Mauerreste weg auf die Straße. Natürlich, sagte er von da, euer Lehrer soll einpacken, wenn er das nicht mal weiß.

Da stand Jürgen auf und fragte: Wenn ich eins kriegen kann? Ein weißes vielleicht?

Ich will mal versuchen, rief der Mann schon im Weggehen, aber du musst hier solange warten. Ich gehe dann mit dir nach Hause, weißt du? Ich muss deinem Vater doch sagen, wie so ein Kaninchenstall gebaut wird. Denn das müsst ihr ja wissen.

Ja, rief Jürgen, ich warte. Ich muss ja noch aufpassen, bis es dunkel wird. Ich warte benimmt. Und er rief: Wir haben auch noch Bretter zu Hause. Kistenbretter, rief er.

 Aber das hörte der Mann schon nicht mehr. Er lief mit seinen krummen Beinen auf die Sonne zu. Die war schon rot vom Abend und Jürgen konnte sehen, wie sie durch die Beine hindurchschien, so krumm waren sie. Und der Korb schwenkte aufgeregt hin und her. Kaninchenfutter war da drin. Grünes Kaninchenfutter, das war etwas grau vom Schutt.

2) Machen Sie eine sprachlich-literarische Analyse der Kurzgeschichte. Nehmen Sie die Vorbereitungsschritte zur Textanalyse der Novelle „Nachts schlafen die Ratten doch“ im Anhang zur Hilfe und beachten Sie dabei folgende Hinweise:

a) Geben Sie den Inhalt der Kurzgeschichte (ohne direkte Rede) wieder.

b) Bestimmen Sie das Thema, die Fabel, die Motive und die Idee der Kurzgeschichte.

c) Analysieren Sie die Geschichte vom Standpunkt der architektonischen und kompositionellen Gliederung aus.

d) Analysieren Sie den ersten Absatz von der Seite der Lexik. Bestimmen Sie die Art der bildlichen Mittel und ihre stilistische Funktion im Text. Wie ist der emotionale Ton, den die Beschreibung des Handelsortes angibt?

e) Charakterisieren Sie einzelne Textabschnitte nach dem Erzählverhalten, der Erzählperspektive und der Darbietungsweise (vergleichen Sie den ersten und den zweiten Absatz). Zu welchem Zweck gebraucht der Autor die erlebte Rede? Bestimmen Sie den stilistischen Wert dieser Darbietungsweise.

f) Analysieren Sie das Sprachporträt der handelnden Personen mit Hilfe der folgenden Fragen und Aufgaben:

- Finden Sie lexikalische und syntaktische Mittel, die den inneren Zustand des Jungen wiedergeben. Welche Sprachmittel zeigen die Wendung in der Psyche des Jungen?

- Analysieren Sie die Redeweise des Mannes. Welche expressive Lexik enthalten seine Worte? Bestimmen Sie ihre stilistische Funktion? Beurteilen Sie das Verhalten des Mannes dem Jungen gegenüber.

g) Analysieren Sie die stilistische Funktion der Wortverbindung „die krummen Beine“. Verfolgen Sie den Prozess der Symbolisierung dieser Wortverbindung. Deuten Sie das symbolische Bild im letzten Absatz der Geschichte.

h) Warum ist die Novelle nach einer Replik des Mannes benannt? Warum wird diesem Satz einen besonderen Wert beigelegt?

3) Machen Sie eine literarische Übersetzung von zwei ersten und dem letzten Absatz.

 

    3.3 Heinrich Böll. An der Brücke

1) Lesen Sie die Kurzgeschichte.

An der Brücke

Die haben mir meine Beine geflickt und haben mir einen Posten gegeben, wo ich sitzen kann: ich zähle die Leute, die über die neue Brücke gehen. Es macht ihnen ja Spaß, sich ihre Tüchtigkeit mit Zahlen zu belegen, sie berauschen sich an diesem sinnlosen Nichts aus ein paar Ziffern, und den ganzen Tag, den ganzen Tag geht mein stummer Mund wie ein Uhrwerk, indem ich Nummer auf Nummer häufe, um ihnen abends den Triumph einer Zahl zu schenken. Ihre Gesichter strahlen, wenn ich ihnen das Ergebnis meiner Schicht mitteile, je höher die Zahl, um so mehr strahlen sie, und sie haben Grund, sich befriedigt ins Bett zu legen, denn viele Tausende gehen täglich über ihre neue Brücke...

Aber ihre Statistik stimmt nicht. Es tut mir leid, aber sie stimmt nicht. Ich bin ein unzuverlässiger Mensch, obwohl ich es verstehe, den Eindruck von Biederkeit zu erwecken. Insgeheim macht es mir Freude, manchmal einen zu unterschlagen und dann wieder, wenn ich Mitleid empfinde, ihnen ein paar zu schenken. Ihr Glück liegt in meiner Hand. Wenn ich wütend bin, wenn ich nichts zu rauchen habe, gebe ich nur den Durchschnitt an, manchmal unter dem Durchschnitt, und wenn mein Herz aufschlägt, wenn ich froh bin, lasse ich meine Großzügigkeit in einer fünfstelligen Zahl verströmen. Sie sind ja so glücklich! Sie reißen mir förmlich das Ergebnis jedesmal aus der Hand und ihre Augen leuchten auf, und sie klopfen mir auf die Schulter. Sie ahnen ja nichts! Und dann fangen sie an zu multiplizieren, zu dividieren, zu prozentualisieren, ich weiß nicht was. Sie rechnen aus, wie viel heute jede Minute über die Brücke gehen und wie viel in zehn Jahren über die Brücke gegangen sein werden. Sie lieben das zweite Futur, das zweite Futur ist ihre Spezialität – und doch, es tut mir leid, dass alles nicht stimmt...

Wenn meine kleine Geliebte über die Brücke kommt – und sie kommt zweimal am Tage –, dann bleibt mein Herz einfach stehen. Das unermüdliche Ticken meines Herzens setzt einfach aus, bis sie in die Allee eingebogen und verschwunden ist. Und alle, die in dieser Zeit passieren, verschweige ich ihnen. Diese zwei Minuten gehören mir, mir ganz allein, und ich lasse sie mir nicht nehmen. Und auch wenn sie abends wieder zurückkommt aus ihrer Eisdiele, wenn sie auf der anderen Seite des Gesteigen meinen stummen Mund passiert, der zählen, zählen muss, dann setzt mein Herz wieder aus, und ich fange erst wieder an zu zählen, wenn sie nicht mehr zu sehen ist. Und alle, die das Glück haben, in diesen Minuten vor meinen blinden Augen, zu defilieren, gehen nicht in die Ewigkeit der Statistik ein: Schattenmänner und Schattenfrauen, nichtige Wesen, die im zweiten Futur der Statistik nicht mitmarschieren werden..                      

Es ist klar, dass ich sie liebe. Aber sie weiß nichts davon, und ich möchte auch nicht, dass sie es erfährt. Sie soll nicht ahnen, auf welche ungeheure Weise sie alle Berechnungen über den Haufen wirft, und ahnungslos und unschuldig soll sie mit ihren langen braunen Haaren und den zarten Füßen in ihre Eisdiele marschieren, und sie soll viel Trinkgeld bekommen. Ich liebe sie. Es ist ganz klar, dass ich sie liebe.

Neulich haben sie mich kontrolliert. Der Kumpel, der auf der anderen Seite sitzt und die Autos zählen muss, hat mich früh genug gewarnt, und ich habe höllisch aufgepasst. Ich habe gezählt wie verrückt, ein Kilometerzähler kann nicht besser zählen. Der Oberstatistiker selbst hat sich drüben auf die andere Seite gestellt und hat später das Ergebnis einer Stunde mit meinem Stundenplan verglichen. Ich hatte nur einen weniger als er. Meine kleine Geliebte war vorbeigekommen, und niemals im Leben werde ich. dieses hübsche Kind ins zweite Futur transponieren lassen, diese meine kleine Geliebte soll nicht multipliziert und dividiert und in ein prozentuales Nichts verwandelt werden. Mein Herz hat mir geblutet, dass ich zählen musste, ohne ihr nachsehen zu können, und dem Kumpel drüben, der die Autos zählen muss, bin ich sehr dankbar gewesen. Es ging ja glatt um meine Existenz. Der Oberstatistiker hat mir auf die Schulter geklopft und hat gesagt, dass ich gut bin, zuverlässig und treu. «Eins in der Stunde verzählt», hat er gesagt «macht nicht viel. Wir zählen sowieso einen gewissen prozentualen Verschleiß hinzu.

Ich werde beantragen, dass sie zu den Pferdewagen versetzt werden».                                       Pferdewagen ist natürlich die Masche. Pferdewagen ist ein Lenz wie nie zuvor. Pferdewagen gibt es höchstens fünfundzwanzig am Tage, und alle halbe Stunde einmal in seinem Gehirn die nächste Nummer fallen zu lassen, das ist ein Lenz! Pferdewagen wäre herrlich. Zwischen vier und acht dürfen überhaupt keine Pferdewagen über die Brücke, und ich könnte Spazierengehen oder in die Eisdiele, könnte sie mir lange anschauen oder, sie vielleicht ein Stück nach Hause bringen, meine kleine ungezählte Geliebte...

2) Geben Sie Ihre eigene stilistische Analyse dieser Kurzgeschichte (Sie können beispielhafte Analyse der Kurzgeschichte „An der Brücke“ zur Hilfe nehmen – sieh im Anhang). Beachten Sie dabei folgende Hinweise:

a) Formulieren Sie das Thema der Erzählung.

b) Bestimmen Sie das Sujet (die Fabel).

c) Charakterisieren Sie die Erzählung nach der Erzählform, nach dem Erzählverhalten und point of view. Erläutern Sie Ihre Meinung.

d) Sprechen Sie über die Rolle des Ich-Erzählers im Text. Charakterisieren Sie den Haupthelden, seine Vergangenheit und seine Gegenwart.

e) Charakterisieren Sie die anderen handelnden Personen. In welcher Beziehung steht der Hauptheld zu ihnen. Was bildet in diesem Sinne die inhaltliche Struktur der Erzählung?

f) Wie kommt die Gegenüberstellung des Haupthelden den anderen zum Ausdruck? Welche Elemente der Antithese fungieren im Text?

g) Bestimmen Sie die Erzählhaltung (die Haltung des Erzählers zu dem Erzählten).

h) Wie wird der ironische Stil der Darstellung erzielt? Welche Stilmittel der Ironie tragen dazu bei?

i) Analysieren Sie die Rolle der Wiederholungen im Text.

j) Durch welche Modalität ist der letzte Absatz gekennzeichnet? Wie sind deren Ausdrucksformen?

k) Was können Sie über den Schluss der Erzählung sagen? In wieweit verändert sich die Erzählhaltung und damit die ganze Stimmung?

l) Analysieren Sie die Syntax der Sätze in jedem Absatz. Welche Rolle spielt der erste Satz jedes Absatzes?

3) Machen Sie eine literarische Übersetzung von zwei ersten Absätzen.

    3.4 Textimmanente Interpretation: Dimensionen. Ziele. Verfahren

Jede Interpretation folgt besonderen Fragerichtungen, zielt auf ein bestimmtes Textverständnis. Die Aspekte, unter denen Texte analysiert werden, betreffen das „Was“ und das „Wie“ des literarischen Produktes. ‚Inhalt’ und ‚Fabel’, ‚Thematik’ und ‚Problematik’ sind Begriffe, mit deren Hilfe man zu erfassen sucht, was in einem Text steht. Stil-und Formanalyse gilt dem „Wie“ der Gestaltung. Mit der Frage nach dem Was und dem Wie versucht man die Eigenart eines Textes zu erschließen, indem man sich auf die in ihm greifbaren Phänomene konzentriert, d.h. man orientiert sich ausschließlich am Erkenntnisobjekt selbst und fragt weder, unter welchen Bedingungen es entstand, noch, an wen es sich richtet, noch, wieweit es einer literarischen Tradition folgt usw. Diese Art der Auslegung bezeichnet man als textimmanente Interpretation.

Ziel dieser Methode ist es, das „Wortkunstwerk“ als autonomes ästhetisches Gebilde zu betrachten. Mittel dazu ist eine Analyse aller Phänomene, die sich selbst in dem entsprechenden Text finden (textimmanent – im Text selbst enthalten).

Wie jeder Methode, so liegt auch der textimmanenten Interpretation ein bestimmter Literaturbegriff zugrunde. Die logische Konsequenz aus der Konzentration auf die im Text selbst auftauchenden Phänomene ist die Isolierung des Textes: Er wird nicht als primär historisches oder gesellschaftliches Produkt verstanden, sondern als ein letztlich autonomes Gebilde, zu dessen Erfassung daher außertextliche Gesichtspunkte nur wenig beizutragen vermögen.

Textimmanente Betrachtung im Allgemeinen bezieht sich hauptsächlich auf literarische Texte, also „Dichtungen“ und schließt nicht-fiktionale Texte aus. Denn die gesamte Zeitungs- und Zeitschriftenliteratur, die Werbungs-und Gebrauchsliteratur z.B. umschließt zweck- und leserorientierte Texte, die daher immanent nicht aufzuschlüsseln sind.

Die oft zitierte Formel „dass wir begreifen, was uns ergreift“ beschreibt den

Erkenntnisvorgang und zugleich die hermeneutische Position textimmanenter Auslegung (Hermeneutik – sieh im Glossar).

Der Erkenntnisvorgang vollzieht sich in Form einer Kreisbewegung, die man als hermeneutischen Zirkel bezeichnet. Er stellt sich als ein Hin und Her zwischen erkennendem Subjekt und zu erkennendem Objekt bzw. zwischen dem „Ganzen“ und dem „Einzelnen“ dar, das zu einem (im Idealfall) vollständigen Verständnis führt.

Richtet man das Augenmerk auf das Verhältnis zwischen dem Textganzen und dem Textdetail, so zeigt sich Folgendes: Die Einzelzüge erfüllen ihre Funktion als Mittel, das Textganze, den „Sinn“ zu konstituieren. Das bedeutet, dass das Ganze Grund und Maßstab dafür ist, dass einzelne Textdetails überhaupt eine Bedeutung haben. Andererseits ergibt sich aber auch das Ganze erst aus dem Zusammenspiel der einzelnen Merkmale, beide setzen sich also wechselseitig voraus. Eben darin besteht also die zirkulare Struktur des Verstehens als Prozesses: das eine bedingt das andere, das andere das eine. Ein solcher Zirkel stellt übrigens nicht nur für die textimmanente Interpretation, sondern auch für jede andere im geistwissenschaftlichen Bereich die entscheidende Erkenntnisstruktur dar.

    Was die Methode der textimmanenten Interpretation auszeichnet, das ist vor allem die Orientierung am poetischen Wort. Das Kunstwerk tritt als solches, d. h. in seiner Autonomie in den Vordergrund. Zum Ausgangspunkt der Analyse wird in diesem Fall der ursprüngliche Bezug des Lesers zum Kunstwerk genommen; die Analyse konzentriert sich auf Thematik und Form eines Textes sucht die Vermittlung beider Momente zu erhellen.

    Emil Staiger hat dieses Verfahren in der Einleitung zu seinem erst mal 1939 erschienenen Buch „Die Zeit als Einbildungskraft des Dichters“ begründet und erfordert. Aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde textimmanente Interpretation zu anerkannter literaturwissenschaftlicher Methode.

    Die Kurzgeschichte von Herbert Eisenreich „Am Ziel“ bietet sich als Objekt der textimmanenten Interpretation als besonders geeignet an, da Herbert Eisenreich in Russland nicht weit bekannt ist, was im Allgemeinen die Vorkenntnisse über den Autor, die Zeit usw. ausschließt.

1) Lesen Sie die Kurzgeschichte von Herbert Eisenreich „Am Ziel“.

Am Ziel

Das also war der Abend zuvor, der Abend vor der Nacht zu dem Tag, der ihm den Triumph bringen sollte! Nun war es so weit, kein Zweifel! Seit Tagen schon hatte sich Doktor Stiasny, ohne dass Gründe zu erfahren gewesen wären, in den Büros der Firma nicht mehr blicken lassen, und an diesem Nachmittag hatte ein Schreiben der Direktion ihn, den „S. g. Herrn Hans Leisiger, Oberinspektor der Vereinigte Zuckerfabriken A.G.", für den nächsten Vormittag um halb neun Uhr in den kleinen Konferenzsaal gebeten: man habe ihm eine für ihn höchst bedeutsame Eröffnung zu machen.

Ja, dachte Leisiger, in den kleinen Konferenzsaal! Holzgetäfelt, dunkler Parkettboden ohne Teppich, ein Eichentisch und acht geschnitzte Armsessel, ein bauchiger Kachelofen in der Ecke, ein Gemälde der größten, der Inglhofer Fabrik zwischen zwei Hirschgeweihen an der Längsseite gegenüber den beiden Fenstern mit den handgewebten Vorhängen; und unsichtbar in dem Raume sich wölkend der Rauch von Zigarren, vermischt mit Spuren von Gerüchen, die seltsamerweise an erdige Schuhe und an schweißfeuchtes Pferdeleder denken ließen. Dahin hatte man ihn auch geladen, als er Inspektor in der Inglhofer Fabrik wurde, und wenig später wiederum, als er aufrückte in den Rang eines Oberinspektors und hierher zurückversetzt wurde, in die Zentrale. Und so lud man ihn auch diesmal in den kleinen Konferenzsaal - und er wusste, warum! Seit er, vor nunmehr zehn Jahren, in die Firma gekommen war, hatte er nie sein hochgestecktes Ziel aus dem wie anvisierend halb zugekniffenen Auge gelassen, das Ziel, Prokurist und damit Geschäftsführer zu werden - oder, mit einer Deutlichkeit gesagt, die jetzt, am Vorabend seines Triumphes, endlich wohl erstattet sein musste: den Platz einzunehmen, den der Doktor Stiasny innehatte. Und nun war es so weit, nur noch dieser Abend und diese eine Nacht trennten ihn von der festgesetzten Stunde des Tages, der ihn triumphieren sehen sollte, triumphieren nicht mehr bloß über diesen armseligen, über diesen blaß-zerbrechlichen teetassenhäutigen Doktor Stiasny, sondern viel mehr über die Mühsal seines bisherigen Lebens vom zweiundvierzigsten bis zum eben vollendeten zweiundfünfzigsten Lebensjahr; denn seit er eingetreten war in die Firma, hatte er hingearbeitet auf diesen Tag des Triumphes, nicht nur seine vorgeschriebenen acht Stunden täglich und die Überstunden während der Rübenkampagne dazu, o nein! Sondern dreimal acht Stunden eines jeden Tages zehn Jahre lang hatte er dafür gelebt: dafür nicht nur gearbeitet, sondern dafür auch geschlafen, gegessen, sich rasiert, sich (wenn auch immer nur flüchtig) mit Frauen eingelassen, gelesen, Besuche gemacht und empfangen, geraucht, sich geschnäuzt, Medizinen geschluckt, Luft eingeatmet und ausgeatmet... gelebt nur für diesen einen Tag, für dieses eine Ziel; mit eiskalter Sachlichkeit, von sich selber kontrolliert bis in die Reflexe der Augenlider und bis in die Träume hinab, so hatte er darauf zugelebt, worüber er allmählich die angestrebten Vorteile, als da sind die finanzielle Besserstellung, das erhöhte Ansehen, die vermehrte Macht, vergessen hatte (genau wie jener Obmann der Rübenbauern in Neustadt, der damals, als durch den großen Streik in der Eisenindustrie auch die Bahn aus den Gleisen kam und die Waggons nicht mehr pünktlich bereitstellen konnte, der damals also partout die von den Bauern der Gemeinde herangefahrenen Rüben einmieten wollte, was ihm, da dies auf seinem Grund und Boden hätte geschehen müssen, eine kleine Summe Geldes eingebracht hätte, und der, um es gegen Leisiger durchzusetzen, was ihm endlich dann aber doch nicht gelang, die doppelte Summe in Gesprächen mit der Direktion vertelephonierte, bis dann doch die Waggons noch kamen und in pausenloser Tag- und Nachtarbeit beladen wurden; aber daran, und wie bis zur Siedehitze jener Bauer ihn damals geärgert hatte, daran dachte Leisiger schon längst nicht mehr). Er dachte nur an den Triumph seiner Diplomatie. Seit er in der Firma war, hatte er mit allem, was er tat, gar nichts anderes getan, als den Ruf, das Ansehen, die Position des Doktor Stiasny -, „seines Vorgängers“, dachte er fiebrig-trunken - unterhöhlt, untergraben, unterminiert, und mit welch lautlosen Spatenstichen, mit welch diffiziler Wühlarbeit, mit welcher Spannung zwischen äußerer Nonchalance und innerer Vibration: gleichwie ein lebenslänglich Gefangener just unter den Ohren seiner hellhörigen Bewacher sich mit den bloßen Fingernägeln einen Gang in die Freiheit kratzt! Auf vielfach verschlungenen Umwegen, geschleust durch alle Kanäle von Sympathien und Antipathien innerhalb der Belegschaft, hatte er die Direktion in Kenntnis gesetzt von jedem Missgeschick, von jeder Nachlässigkeit, von jeder auch nur mikroskopisch kleinen Abweichung, von jeder wirklichen oder scheinbaren Verfehlung des Doktor Stiasny; hatte zahllose Mittelsmänner, von den Boten bis zum Oberbuchhalter, für den Transport dieser Nachrichten und Gerüchte eingespannt so unmerklich, dass keiner sich als sein Werkzeug fühlen konnte. Und hatte anderseits in den Sitzungen ausdrücklich für Stiasny plädiert; natürlich nicht etwa, indem er offenbare Verfehlungen oder Unregelmäßigkeiten Stiasnys bestritt, sondern so, dass er sie entweder bagatellisierte oder dass er im Charakter des Prokuristen oder in der jeweiligen geschäftlichen Situation entschuldigende Gründe suchte, immer aber so fadenscheinig argumentierend, dass die Entkräftung der Argumente gar nicht ausbleiben konnte.

Und nun war es so weit, nun stand er am Ziel! Mit zitternden Fingern die erloschene Zigarette aus dem Mundwinkel klaubend, wandte er sich von dem Fenster, aus dem er in die föhnig-vielfärbige Abenddämmerung gestarrt hatte, zurück in das dunkelnde Zimmer. Nun, dachte er, würde es auch notwendig werden, eine größere Wohnung zu mieten; hier, in Untermiete, wohnte er viel zu provisorisch, gleichsam seit Jahren nur auf Abruf. Und nur war es so weit! Dieser eine Abend und die Nacht nur noch trennten ihn, nach zehn randvoll mit Energie erfüllten Jahren, von dem Moment des Triumphes! Und da spürte er plötzlich die Stille und die Leere dieses Abends, in den er aus der Höhe seiner Anspannung unvorbereitet hineingestürzt war, eine Stille und Leere, die auch schon den morgigen Tag mit dem großen Ereignis, wie um es ihm vorzuenthalten, in sich aufsaugte, nichts ihm belassend als die Last all der Jahre, die er auf den morgigen Tag zugelebt hatte; spürte plötzlich, indes die kurze Spanne Zeit bis zum nächsten Vormittag ihm ins Endlose zu entgleiten schien, die summierte Last dieser Jahre überschwer auf seinen Schultern, spürte sie einsinken in die Brust und Jahresringe der Angst um sein Herz legen, spürte sie sein inneres Wesen zerdrücken, zerquetschen, zermalmen, es beseitigen, indem sein mächtiger Leib noch aufrecht stand, aber schon mit einem ungekannten Gefühl der Haltlosigkeit darin: grad als stünde, wo eben er selber noch gestanden, nur seine Haut noch da, zwar noch der Gewohnheit gehorchend, aber alsbald zusammensackend und liegenbleibend als ein erbärmliches Häuflein, so wie man sich vorstellt, dass die Kleider eines Ertrunkenen noch tagelang an dem Strande liegenbleiben, von dem aus er sich zu weit, als dass eine Rückkehr noch möglich gewesen wäre, aufs offene Meer hinausgewagt hat. Und so, so fand ihn am nächsten Morgen seine Haushälterin liegen, ein kleines Häuflein wie die Kleider eines Ertrunkenen am Strand.

Um etwa die gleiche Zeit geschah das, als die Herren in dem kleinen Konferenzsaal bereits an die zehn Minuten gewartet hatten, der Minister a. D. Dr. h. c., klein, ausgetrocknet, zigarrenrauchend, Bauernbündler und jetzt Generaldirektor, und der kommerzielle Direktor, Statur eines Fußballspielers, Nichtraucher, Gesicht wie eine Uhr, und der technische Direktor, ein breithüftiger, wie von dauerndem Sitzen geformter Mann, Zigarrenraucher auch er, und als sie haargenau zehn Minuten gewartet hatten, sagte der kommerzielle Direktor: „Scheint, er hat den Braten gerochen!" Der technische Direktor wälzte seine Zigarre zwischen den Lippen, er mochte den kommerziellen Direktor nicht leiden, weil der immer auch in den Fabriken herumschnüffelte, und er dachte, dass Leisiger eben doch ein Dummkopf war, wenn er glaubte, der erste und einzige zu sein, der auf solche Weise sich emporzuschrauben gedachte; er hätte wissen müssen, dass diese Methode bekannt ist; und dass man durch nichts sich so verdächtig macht wie durch ein Verhalten, das sich zusammensetzt aus Objektivität und Kollegialität! Doch weil ihm ein passendes Wort dafür nicht einfiel, dachte er mit einer plötzlichen Wendung, als ließe sein Denken sich schalten wie eine seiner Maschinen, an andere Dinge. „Der Stiasny ist doch", ließ sich nun der Minister a. D. hinter einer Rauchwolke vernehmen, „der Stiasny ist doch wirklich ein zuverlässiger Mann?" Die beiden Direktoren nickten. „Ein Starrkopf", sagte dann der kommerzielle Direktor, „und immer gleich mit irgend einer vertrackten Theorie bei der Hand, die er in der schlaflosen Nacht vorher erfunden hat. Aber wenn man ihm - in aller Freundschaft, versteht sich! - das Messer an die Brust setzt, dann ist er tüchtig für zwei!" Hinter seinem Rauchschleier nickte der Minister a. D., murmelte dann etwas von einer Gehaltserhöhung für Stiasny, und der technische Direktor dachte, dass sich durch das Fernbleiben Leisigers alles auf die bequemste Weise geregelt habe. Und dann diskutierten sie, was an diesem Tage sonst noch zur Debatte stand.

2) Geben Sie sprachlich-literarische Analyse der Kurzgeschichte. Nehmen Sie „Vorbereitungsschritte zur Textanalyse“ im Anhang zur Hilfe und beachten Sie dabei folgende Hinweise:

a) Nennen Sie die kennzeichnenden Merkmale der Kurzerzählung als der Art der epischen Texte.

b) Bestimmen Sie das Thema und das Sujet (die Fabel) der Kurzerzählung.

c) Charakterisieren Sie die Kurzerzählung nach der Erzählform, dem Erzählverhalten und dementsprechend der Darbietungsweise. In welche zwei Teile lässt sich der Text unter diesem Aspekt gliedern? Wodurch ist der Perspektivenwechsel und dabei auch der Wechsel des Erzählverhaltens (Z. 102) bedingt?

d) Welche Merkmale der erlebten Rede und des inneren Monologs enthält der Text (der erste Teil)? Durch welche syntaktischen Mittel wird im Text der Effekt des unkontrollierten Gedankenflusses und drängender Gedankenballungen erreicht?

e) Analysieren Sie den Anfang der Erzählung. Worauf deutet, ihrer Meinung nach, die Modalform des Prädikats im ersten Satz (“den Triumph bringen sollte”)? 

f) Welche Rolle vom kompositionellen Standpunkt aus spielt der 1. Absatz?

g) Welche syntaktischen Mittel dienen zum Ausdruck der Aufregung der Hauptperson? Analysieren Sie diese Sätze. Welche lexikalischen Mittel explizieren auch diesen Zustand?

h) Das erste, woran Leisiger denkt, ist der Konferenzsaal. Welche Funktion erfüllt der Nominalstil des 3. Absatzes (Z.Z. 10-17) und zwar die Häufung von Substantiven und Adjektiven?

i) Beschreiben Sie das frühere Leben Leisigers, indem Sie dabei auch die Einstellung des Erzählers, seine Haltung (Erzählhaltung) dazu erläutern. Nutzen Sie zur Hilfe die Fragen und Aufgaben unten:

- Welche Vorstellung ruft bei Ihnen der metaphorische Vergleich „aus dem wie anvisierend halb zugekniffenen Auge“ (Z.Z. 23-24) hervor?

- Analysieren Sie die Häufung von Verben in den Z.Z. 37-43. Was wird dabei betont? Welche stilistische Funktion erfüllt die asyndetische Verbindung der Verben? Wodurch kommt der ironische Unterton zum Ausdruck?

- Deuten Sie den Sinn der Hyperbel “bis in die Träume hinab”(Z.Z. 43-44).

- Wie charakterisiert der Hauptheld sein Ziel und worin besteht es?

- Mit welchen Mitteln versuchte er dieses Ziel zu erreichen? (Finden Sie im Text metaphorische Mittel zur Veranschaulichung der heimlichen/tückischen Tätigkeit Leisigers). 

- Durch welche syntaktischen Mittel wird die plötzliche Veränderung im

psychischen und dann auch physischen Zustand Leisigers zum Ausdruck gebracht?

- Deuten Sie den kontextuellen /metaphorischen Sinn der Äußerung “die Stille und die Leere dieses Abends“, der verbalen Metapher „in den (Abend) hineinstürzen“, „den morgigen Tag ... in sich aufsaugte; der metaphorischen Reihe „spürte sie (die Last) sein inneres Wesen zerdrücken, zerquetschen, zermalmen, es beseitigen ... .“ Welche stilistische Funktion erfüllt hier Klimax mit asyndetischer Verbindung?)

j) Analysieren Sie ausführlich das synkritische Bild (von der Stelle „indem sein mächtiger Leib noch aufrecht stand“ bis zum Ende des Absatzes), mit dessen Hilfe das Ende Leisigers geschildert wird.

k) Analysieren Sie sprachliche Mittel, mit deren Hilfe die berufliche Welt im Text dargestellt wird. Was ist das Wichtigste an den Bildern der anderen handelnden Personen – Vorstandsdirektoren? Was haben sie und der Hauptheld gemeinsam?

l) Deuten Sie den symbolischen Sinn der Wörter ‚Triumph’ und ‚Ziel’ . Wie

verändert sich die Bedeutung dieser Wörter – von der direkten zu der symbolischen – im Text? Welche übertragene Bedeutung bekommt der Satz „Und nun war es so weit!“ im Laufe des Erzählens?

 m) Bestimmen Sie die Hauptidee der Kurzerzählung.

 

    4 Anhang

    4.1 Satzstilistik

    4.1.1 Satzlänge

    4.1.1.1Kurze Sätze

Hier ist zunächst zwischen einfachen Sätzen und erweiterten einfachen Sätzen und kurzen Satzgefügen zu unterscheiden. Als einfache Sätze gelten die Sätze, die nur die notwendigen Satzglieder (Subjekt, Prädikat mit evtl. Valenzgliedern) aufweisen.

In der Regel umfassen kurze Sätze 3-5 Satzglieder, nämlich die grammatisch notwendigen und die informativ wichtigen (z.B. Zeit und Ortsangaben). Dies entspricht den meisten Sätzen der Alltagsrede, sowie im Drama und in der naturalistischen und expressionistischen Erzählweise werden diese Satztypen bevorzugt. Lyrische Formen, besonders volkstümliche Gedichte wählen gern solche syntaktische Reduktionen. In unserer Zeit werden Kurzsätze in bestimmten Zeitungen (Boulevardblättern) sowie in der Sprache von Werbeanzeigen und Werbesendungen bevorzugt (Sowinski, B. Werbeanzeigen und Werbesendungen. München 1979 (Analysen zur deutschen Sprache); „Genrestil“. In : Histor. Wörterbuch der Rhetorik III Tübingen 1998), um eine schnelle Information und größere Einprägsamkeit zu bewirken. Oft sind Kurzsätze erst im Kontrast zu längeren Sätzen stilistisch wirksam (vgl. z.B. den Schluss von Goethes „Werter“: „Handwerker trugen ihn. Kein hat ihn begleitet.“). Die Häufung von Kurzsätzen im literarischen Kunstwerk trägt viel dazu bei, die größere Dynamik, Einprägsamkeit, Spannung, Ausdruckskraft zu erzielen.

               

    4.1.1.2 Sätze mittlerer Länge

Als Sätze mittlerer Länge, die etwa 4-7 Satzglieder und etwa 10-20 Wörter umfassen, kommen sowohl erweiterte einfache Sätze als auch einfache Satzreihen und Satzgefüge in Frage.

Laut den letzten Untersuchungen bevorzugt heute ein großer Teil der Pressekommentare und Presseberichte (mit Ausnahme von Texten der Boulevardzeitungen), der Gesellschaftskorrespondenz und der Fachtexte sowie der Erzählliteratur Sätze dieses Umfangs, die geeignet sind, die jeweils notwendigen Informationen ohne größere Lücken zu vermitteln.

Die notwendigen Erweiterungen zeigen sich vor allem im Bereich der adverbialen Angaben und der Attribute, wobei die einzelnen Autoren in der verschiedenen Zeiten in unterschiedlichem Maße von diesen Erweiterungsmöglichkeiten Gebrauch machen. Während z.B. im 17. Jh. und 18. Jh. die Adjektivattribute stilistisch eine große Rolle spielten, kommt im 19. und im 20. Jh. den Adverbien eine größere Bedeutung zu. In der Geschäfts- und Verwaltungssprache sowie in der Pressesprache bestimmter Zeitungen entsprechen dagegen Genitivattribute und präpositionale Wendungen dem Bestreben nach zusammenfassender Information.

 

    4.1.1.3 Lange Sätze

Lange Sätze, die über die mittlere Länge (bis zu etwa sieben Satzgliedern und etwa 20 Wörtern) hinausgehen, kommen vor als erweiterte einfache Sätze, als Satzglied – und Satzreihen und als Satzgefüge verschiedensten Art.

Das Streben nach Informationshäufung in einem Satz führt dazu, dass erweiterte einfache Sätze leicht über den üblichen Umfang mittlerer Satzlänge hinauswachsen, - eine Erscheinung, die oft für den Funktionalstil der Wirtschaft und Verwaltung kennzeichnend ist. Häufiger begegnet man jedoch lange Sätze in den Formen der Reihen der einfachen Satzgefüge und Satzperioden.

Reihungen von Satzgliedern, die zur Verlängerung der Sätze führen, sind in verschiedener Form möglich und entsprechen meistens bestimmten stilistischen Absichten, so z.B.

Häufungen von Adjektivattributen – zur Intensivierung von Charakterisierungen;

Reihungen von Prädikatsverbenzur Steigerung erzählerischer Dynamik,

Dopplungen von Substantiven (Zwillingsformeln) – zur begrifflichen Verstärkung oder Steigerung oder als Anspaltung eines Begriffs in zwei Wörter.

    4.1.1.4 Satzgefüge

Wenn die Informationen einer Satzeinheit auf mehrere Teilsätze eines Satzes verteilt werden, wählt man die Form des Satzgefüges, das aus einem Hauptsatz und einem oder mehreren Nebensätzen besteht. Mit seiner Hilfe ist es möglich, die logischen, temporalen, kausalen, modalen und ähnlichen Verhältnisse der Grundinformation des Satzes zugleich auszudrücken.

Die Wahl der nach inhaltlichen Aspekten unterschiedenen Nebensätze ist nicht nur stoffbedingt, sondern oft ebenfalls eine stilistische Wahlentscheidung. Besonders bei Autoren, die zu ausführlichen modalen oder psychologischen Erläuterungen neigen, finden sich häufig entsprechende Satzgefüge.

Für die Stilanalyse ist es jedoch ratsam, die verschiedenen Möglichkeiten der Struktur komplexer Satzgefüge an Beispielen zu studieren, um die individualistischen und funktionalstilistischen Realisierungen in ihrem Gefüge und in ihrer Leistung und Wirkung zu erfassen.

Der Satzbau Heinrich von Kleist erweist sich so z.B. als ein ganz anderer als der Thomas Manns (die beiden gelten als die bedeutendsten Meister dieser Sprachformen). Während Kleist z.B. in seiner Erzählprosa häufig die Hauptsätze durch Nebensätze unterbricht, um so alle Umstände zu erfassen, die das gleichzeitig ablaufende Geschehen beeinflussen, und so eine dramatische Spannung in seinen Sätzen erreicht, liebt es Thomas Mann, zumindest in seinen späteren Romanen, die Handlungen, Leistungen, Lebensumstände und Motivationen seiner Figuren in Nebensätzen kommentierend zu relativieren, wodurch oft die ihm zugesprochene Ironie des Erzählers zu Stande kommt.

„Er verbeugte sich und begann dann, offenbar ein wenig verlegen, zu essen, indem er Messer und Gabel mit seinen großen, weißen und schöngeformten Händen, die aus sehr engen Ärmeln hervorsahen, in ziemlich affektierter Weise bewegte.“

„Er trat auf den Spitzen seiner großen Füße zu dem Sesel, in dem Herrn Klöterjahns Gattin zart und lachend lehnte, blieb in einer Entfernung von zwei Schritten stehen, hielt das eine Bein zurückgestellt und den Oberkörper vorgebeugt und sprach in seiner etwas behinderten und schlürfenden Art leise, eindringlich und jeden Augenblick bereit, eilends zurückzusetzen und zu verschwinden, sobald ein Zeichen von Ermüdung und Überdruss sich auf ihrem Gesicht bemerkbar machen würde.“

                                                                               (Th. Mann. Tristan)

    4.1.2 Wortstellung als Stilmittel

Der Wortfolge kommen einige Aufgaben zu:

1) die strukturbildende oder die grammatische bei der Gestaltung der Satzarten und Wortgruppen;

2) die kommunikative bei der Angabe der Thema-Rhema-Gliederung;

3) die stilistische, die vor allem die expressive Hervorhebung einzelner Satzteile sowie die Auslösung gewisser Stileffekte bewirkt.

Die letzten zwei sind von einander nicht zu trennen und werden in ihrem Zusammenwirken behandelt.

Obwohl die deutsche Wortstellung als feste Wortstellung bezeichnet wird, ist sie nicht starr. Subjekte und Objekte wie auch Adverbialien können also ihre Stellung im Satz je nach Satztyp, Kontext und Aussageabsicht verändern. Es bleibt strittig, ob es sich bei den hier zugrundeliegenden Regeln um grammatische oder stilistische Regeln handelt (Nach L. Spitzer ist Grammatik ohnehin ja „gefrorene Stilistik“.).

Die Wortfolge unterliegt gewissen Gesetzmäßigkeiten bei der Erfüllung ihrer stilistischen Leistung: Die Anordnung der Elemente einer Mitteilung wird von ihrem Mitteilungswert bestimmt. Als Ausgangspunkt der Mitteilung tritt das Thema gewöhnlich in der Form des Satzsubjekts auf. Die übrigen Elemente reihen sich ihrem kommunikativen Gewicht nach ein. Der höchste Wert tritt so weit an dem Ende, wie es die festgewordene Satzform erlaubt. Benes (Tschechien) betont auch den Eindruckswert der Endstelle in der allgemeinen Mitteilungsperspektive. Das Gesagte gilt nicht für die stark emotionale, aufgeregte Rede. Hier hat der Mensch keine Geduld und keine Lust, das Rhema ans Satzende zu schieben (Fort muss er! Weggehen werde ich!).

Nach E. Drachs Erkenntnissen (1937) sind im normalen Aussa­gesatz die Aussagen im Vorfeld (vor dem finiten Prädikatsverb) und im Nachfeld (nach dem Prädikatsverb) für die Wortstellung des Subjekts und anderer Satzteile entscheidend. Da vor dem Prädikats­verb nur ein primäres Satzglied erscheinen darf, steht hier das Sub­jekt nur in bestimmten Fällen der gleichmäßigen Aussage. Will der Sprecher jedoch einen Gedanken oder Begriff o.ä. des Objekt- oder Adverbialbereichs besonders hervorheben, so erscheint hier oft ein Objekt oder eine adverbiale Aussage, das Subjekt folgt dann nach dem Prädikatsverb im >Nachfeld<. Das >Vorfeld< gilt deshalb auch als Ausdrucksstelle, das Nachfeld als Eindrucksstelle (vgl. z.B. „Dem habe ich es aber gegeben!“ — „Gegen Abend vereiste die Straße. Dadurch gerieten viele Wagen ins Schleudern.“).

Wie das letzte Satzbeispiel zeigt, kann das Vorfeld auch als Anschlussstelle fungieren. In diesem Falle wird das Subjekt („viele Wagen“) ebenfalls ins Nachfeld verdrängt.

Neben diesen stilistischen Variationen der Wortstellung im Rahmen geltender Normen gibt es andere stilistische Abwandlungen der Wortstellung, die auf dem Weiterleben älterer bereits allgemein vergangener Normen beruhen. Das ist sowohl bei vorangestellten Geni­ tivattributenals auch bei nachgestellten Adjektivattributen der Fall.

Vorangestellte Genitivattribute sind heute nur bei Eigennamen üblich (z.B. Goethes Werke, Ottos Hut), bei anderen Substantiven wirkt dies archaisch und wird daher nur in poetischen Texten noch akzeptiert (vgl. z.B. „Des Kaisers neue Kleider“, “des Himmels reichstem Segen“). Noch seltener ist heute die Nachstellung von Adjektivattributen hinter das jeweilige Bezugswort (Substantiv), also bei Formen wie z.B. „ein armes Mädel jung“ (Goethe); „bei einem Wirte wundermild“ (Uhland). Diese Nachstellung unflektierter Adjektive war in der mhd. Zeit noch neben der Voranstellung üblich, besonders wenn weitere flektierte Adjektive vorangestellt waren (vgl. mhd. ein küner ritter guot). Sie blieb in formelhaften Wendungen erhalten, besonders in Volksliedern, und wurde in der Zeit der Klassik und Romantik neu belebt. Sie findet sich aber auch in der abgewandelten Form der Alleinstellung des nachgestellten Adjektivs bei Autoren der Gegenwart (vgl. z.B. „Stimmen, laut. über dem Kürbis feld“ (Bobrowski); „Die Gräber, schneeverpackt, schnürt niemand auf.“

                                                                               (I. Bachmann)

    4.1.3 Satzklammer und Ausklammerung

Eine Eigenheit des deutschen Satzbaus ist die Umklammerung be­stimmter Satzteile durch Formen des finiten Verbs und seiner Zusätze oder Ergänzungen. Auf diese Weise entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen den Teilen dieser Satzklammer, das zu größerer Aufmerksamkeit beim Verständnis der Aussagen zwingt, das aber bei Überdehnungen der Klammerabstände zu Verstehensschwierigkeiten führen kann, besonders in Reden und anderen mündlichen Äußerungen.

Im Einzelnen sind solche Satzklammern möglich zwischen Hilfsverb + Partizip (vgl. z.B. „Er hat ... gesehen. Die Türen waren ... geöffnet. Er wird ... geschafft haben.“); Hilfsverb oder Modalverb + Infinitiv (z.B. „Er wird ... kommen. Er kann ... schaffen. Der Lärm war ... zu hören“); Hilfsverb + Prädikativ (z.B. „Die Burg war ... sichtbar“); trennbares Verb + Verbzusatz (z.B. „Sie las ... vor.“); Verb + Adverb (z.B. „Das Licht leuchtete ... hell.“); finites Funktionsverb + Funktionsverbzusatz (z.B. „Der Zug setzte sich ... in Bewegung“).

Auch in Nebensätzen entstehen durch die Endstellung des Verbs Klammerungen.

Der deutsche Satz kann als eine geschlosse Ganzheit, aber auch als eine Reihe von Satzabschnitten gestaltet werden. Im zweiten Fall geht es um die Ausklammerung, die Erscheinung, bei der ein großer satzumfassender Spannungsbogen durch einige kleinere Spannungsbögen ersetzt wird. Dadurch entsteht die Lockerung der Satzstruktur:

„Plötzlich, keiner wusste so recht, wie es kam, fingen beide an zu lachen, verrückt und albern und toll.“ (Heiduczek. Abschied von den Engeln).

Gewöhnlich wird eine Wortgruppe ausgeklammert, nicht ein einzelnes Wort. Der eingeklammerte Teil ist meist inhaltlich und formell abgeschlossen genug, um ohne die ausgeklammerten Teile sinnvoll zu bleiben. Ausgeklammert werden häufig:

a) Adverbialien:

„Sauer war er in dem städtischen Straßenbüro untergekommen nach fünf Jahren Arbeitslosigkeit (A Seghers. Das siebte Kreuz).

Solche Ausklammerungen findet man neuerdings häufiger bei Vergleichen,

Er kommt mir vor wie ein Kind

b) Prädikatsattribute:

„Mehrere Männer stürzten vor, die Fäuste geballt“ (H. Mann. Der Untertan)

c) Appositionen:

„Das war nachher zu Ernst geworden, sogar zu bitterem Ernst.“(A. Seghers. Das siebte Kreuz).

d) Präpositionalobjekte:

Er dachte zurück an die Zeit.

e) attributive Präpositionalgruppen:

Von der relativen Selbständigkeit der ausgeklammerten Gruppen zeugt die Möglichkeit, sie in Form von Sätzen zu isolieren:

 „Das Holz, sagte er, ich muss ja das Holz haben. Für uns. Für morgen. (Borchert. Das Holz für morgen).

Es geht dabei um Isolierungen. Sie verstärken einzelne Teile der Aussage.“

Die Ausklammerung findet sich in allen Stilarten. Ihre Quelle ist die Alltagsrede, die auf mündlichen Verkehr eingestellt ist.

 

    4.1.4 Satzarten als Stilmittel

Die stilistische Relevanz ist auch bei der Wahl der Satzart gegeben. Auffallend ist dies meist erst bei Abweichungen von der dominie­renden Satzart des Aussagesatzes.

Der Aussagesatz hat von allen Satzarten den größten Anwendungsbereich. Er ist für die sachlich-nüchterne Feststellung ebenso geeignet wie für die emotional erfüllte Empfindung, für die logische Folgerung ebenso wie für das geschäftliche Begehren (soweit es sich nicht des Aufforderungssatzes bedient).

Der Ausrufesatz ist dem Aussagesatz formal verwandt, offenbart jedoch ein größeres Maß an Emotionalität, das zur Veränderung der Satzform führt, oft zu Satzverkürzungen durch Ellipsen, Aposiopesen, Imperative, aber auch durch Einfügung von Anreden und Interjektionen. Im Gegensatz zum Aussagesatz hat der Ausrufesatz nur einen begrenzten Anwendungsbereich, der sich auf Lyrik, Gespräche und Briefe beschränkt.

Zum Aufforderungssatz zählen auch Begehrens-, Wunsch- und Befehlssätze, sofern sie die gleichen syn­aktischen Merkmale wie der Aufforderungssatz aufweisen, nämlich imperativische oder adhortative Wendungen, die einen Wunsch oder Befehl auf ein erwartetes Geschehen und an einen bestimmten Redepartner richten. Die Ausdrucksformen des Aufforderungssatzes können dabei nach dem Grad der Höflichkeit und Dringlichkeit der Aufforderung stilistisch variieren:

Der Fragesatz, ob in der Form der Ergänzungsfrage mit einem einleitenden Fragewort (wer? was? wo? usw.) oder der Entscheidungsfrage, zumeist mit vorangestellter Verbform, setzt stets eine offene Situation voraus, die durch die erfragte Information geklärt werden soll. In seinem Aufforderungscharakter steht er dem Aufforderungssatz nahe, besonders dann, wenn die agierende (vorantrei­bende) Funktion der Frage deren explorative (ergründende) zurückdrängt, wie dies oft bei Fragen in dramatischen Dialogen, aber auch bei rhetorischen Fragen der Fall ist. Das Spannungsmoment, das mit allen Fragen verbunden ist, ist meistens von besonderer stilistischer Relevanz.

 

    4.2 Phonetische Mittel der Bildkraft

Termini Lautmalerei, auch Klangmalerei oder Onomatopoesie, Onomatopöie bezeichnen eine seit der Antikzeit bekannte Sprachtechnik der Bildung neuer Wörter, aber auch ein Stilmittel der Rhetorik, das in allen literarischen Gattungen verwendet wird. Wenn wir es al Prozess betrachten, so geht es um die Wiedergabe bzw. Nachahmung von nicht-sprachlichen Lauten (Lauten der objektiven Welt) durch sprachliche Mittel. Die akustische Wortform soll den Leser, den Zuhörer an den Gehörseindruck oder Laut erinnern, wie sie in der Wirklichkeit klingen.

Lautmalerei, als Stilmittel der Literatur betrachtet, bedeutet in erster Linie wortbildende Onomatopoesie, die eine entscheidende Wirkung auf den literarischen Text hat. Die antike Rhetorik zählte dieses Stilmittel noch zu den Tropen (laut der weiten Deutung des Tropus).

In der Literatur trifft man auf Lautmalerei vornehmlich in der Lyrik, seltener in Prosatexten. Meist sind das mehrere Wörter, die die lautmalerische Wirkung erzielen, d.h. eine bestimmte Grundstimmung bewirken und atmosphärisch erscheinen. Das nächste Beispiel aus dem Gedicht von Clemens Brentano zeigt diese Wirkung:

Singt ein Lied so süß gelinde,

Wie die Quellen auf den Kiesen,

Wie die Bienen um die Linde

Summen, murmeln, flüstern, rieseln.

Entscheidend ist in diesem Beispiel die letzte Verszeile, die dem Kreuzreim folgt. Hier reihen sich vier Onomatopoetika aneinander. Das Verb summen erinnert uns an den Klang der Bienen, murmeln klingt nach einem gedämpften undeutlichen Laut, flüstern verweist auf ein wisperndes, leises Geräusch und das Verb rieseln – auf ein leises, helles, sanftes Fließen oder auch Rauschen.

Lautsymbolik trifft man da, wo die Lautebene zum Träger von Informationen wird (Sieh auch im Glossar Symbol). Die Lautsymbolik bezieht sich nicht direkt auf die Bedeutung einzelner Laute, sondern darauf, dass phonologische Merkmale einzelner Sprachlaute, Silben, Wörter, Wortgruppen, d.h. komplexe Lautstrukturen, besonders wenn sie sich wiederholen, bestimmte Assoziationskomplexe auslösen und durch sie einen Zusammenhang zu Bedeutungen bzw. Inhalte herstellen. 

Lautsymbolik ist ein Artbegriff und umfasst als solcher Onomatopoesie, Interjektionen, Synästhesie. Man unterscheidet vier Typen nach dem Grad der Verbindung zwischen Laut und Bedeutung:

- physische Lautsymbolik,

- imitative Lautsymbolik,

- synästhetische Lautsymbolik,

- konventionelle Lautsymbolik.

Die physische Lautsymbolik beruht auf einem physischen oder auch emotionalen Zustand und ist nichtsprachlich (Aua! Apchi). Bei der imitativen Lautsymbolik geht es meist um zum Teil konventionalisierte Lautnachamungen (sss – steht für das Zischen einer Scglange, peng! – für einen Knall, einen Schuss aus einer Waffe). Synästhetische Lautsymbolik ist die aukustisch-sprachliche Darstellung nicht akustischer Erscheinungen (i - `kleiner`, a - `größer`). Um die konventionelle Lautsymbolik geht es dann, wenn das Miteinander von Form und Bedeutung kein einmaliges ist, sondern wiederholt, d.h. in der Rede gebräuchlich und von den Sprachträgern erlernt wird (gl – glitzern, glimmern, glänzen, Glanz; br – brausen, brummen, brüllen).

 

    4.3 Zusätzliches zum praktischen Teil

    4.3.1 Wolfgang Borchert

    4.3.1.1 Lebenslauf

(20.05.1921 - 20.11.1947)

Wolfgang Borchert wurde am 20.05.1921 im norddeutschen Hamburg geboren als einziges Kind der Heimatschriftstellerin Hertha Borchert und des Volksschullehrers Fritz Borchert.

Er gehörte einer Generation an, die durch den Zeitpunkt ihrer Geburt, doppelt mit den Auswirkungen von Krieg konfrontiert wurde.

Die Auswirkungen des 1.Weltkrieges, dessen Ende erst 3 Jahre zurück lag, waren noch deutlich spürbar. In fast jeder Familie gab es gefallene oder kriegsversehrte Söhne und Väter. Die Weimarer Republik, 1919 aus den Wahlen zur Nationalversammlung entstanden, bot der Bevölkerung keine genügende Orientierung. Sie war Entscheidungen und Politik ehemaliger Generäle ausgeliefert und wurde schließlich von der Hitlerdiktatur überrannt. Nur zwanzig Jahre später wurde jeder Mann aus Borcherts Generation und schließlich auch die, die noch Kinder waren, zu Hitlers Soldaten.

Borchert wuchs im Hamburger Stadtteil Eppendorf auf, besuchte dort die Volks- und später die Oberrealschule. Borcherts Vater, ein eher zurückhaltender Mensch, der seit dem Krieg unter einem Magenleiden und geschwächter Konstitution litt, beschrieb seinen Sohn als einen naturverbundenen Jungen, der Ausflüge in den Wald liebte und sich gern Geschichten erzählen ließ.

Mit seiner Mutter verband den jungen Borchert ein besonders inniges Verhältnis. Sie hatte, auch aufgrund ihres extrovertierten Temperamentes, wesentlichen Einfluss auf ihren Sohn. Menschen, die sich abweichend von der bürgerlichen Ordnung verhielten oder mit obskuren Macken ausgestattet waren, fesselten Wolfgang Borchert und wurden immer wieder Protagonisten seiner Werke.

1933, im Jahr der Machtübernahme Hitlers, machte auch der zwölfjährige Wolfgang Borchert die ersten Erfahrungen mit den Nazistrukturen; er wurde, wie alle Jungen seines Alters, in die Hitlerjugend übernommen. Jedoch entzog er sich den Verpflichtungen, wann immer es möglich war und blieb schließlich der Gruppe ganz fern.

Als 15jähriger begann Wolfgang Borchert Gedichte zu schreiben; diese werden jedoch allgemein als nicht qualifizierbar eingeordnet und lassen kein frühes Talent erkennen. Sie spiegeln vielmehr Leseeindrücke verschiedener Lieblingsautoren Borcherts, zu denen u.a. Rilke und Ringelnatz gehörten.

Der Jugendliche, der sich eher durch exzentrisches Benehmen und ausgefallene Kleidung, als durch gute Schulleistungen auszeichnete, verließ 1938 die Realschule. Der Berufswunsch des 17-jährigen, er wollte Schauspieler werden, sorgte für Aufregung in der Familie. Seine Eltern waren mit dieser Berufswahl nicht einverstanden und überredeten ihren Sohn schließlich, eine Buchhändlerlehre bei der Firma Boysen in Hamburg anzutreten.

Trotz aller jugendlichen Zerrissenheit und Labilität, die der junge Borchert an den Tag legte, ließ ihm sein ursprünglicher Berufswunsch keine Ruhe. Ohne Wissen der Eltern nahm er, neben seiner Buchhändlerausbildung, Schauspielunterricht.

1940 wird Borchert von der Gestapo verhaftet. Die Anschuldigungen, die gegen ihn vorgebracht wurden, erwiesen sich zwar als unhaltbar; doch nach diesem Vorfall erhielt Borchert Briefe, die offensichtlich von der Gestapo geöffnet und kontrolliert worden waren.

Die Schauspielprüfung legte Borchert vor einer Kommission der Reichstheaterkammer ab. Er bestand die Prüfung, brach die ungeliebte Buchhändlerlehre ab und nahm ab März 1941 bei der "Landesbühne Hannover" ein Engagement an.

Borchert, der persönliche Freiheit und Individualität in höchstem Maße wertschätzte und den bürgerlichen Wohlgeordnetheit und Harmonie widerstrebte, fühlte sich bei dem kleinen Reisetheater gut aufgehoben.

Die frisch geschlossene Freundschaft mit der Schauspielkollegin Heidi Boyes und die positiven Kritiken, die er für seine schauspielerischen Leistungen erhielt, ließen ihn Zuversicht schöpfen.

Aber seine glücklichste Zeit, wie er sie selbst nannte, sollte nicht lange dauern.

Im Juni 1941 wurde Borchert aus seinem selbstgewählten Leben herausgerissen, in die Wehrmacht einberufen und zum Panzergrenadier und Funker ausgebildet. Während der Zeit in der Kaserne äußerte Borchert seine Wut und sein Entsetzen über die erniedrigenden Zustände und die gleichgeschalteten Uniformierten, in Briefen an seine Freunde in Hamburg.: "Ich empfinde die Kasernen als Zwingburgen des dritten Reiches."

Kurz darauf rückte seine Kompanie an die Ostfront, ins sowjetische Kaliningrad aus. Dort wurde Wolfgang Borchert Augenzeuge der schweren und verlustreichen Schlachten, die, entgegen der nationalsozialistischen Propaganda und deren Siegesparolen, für die erfrierenden und verhungernden deutschen Soldaten in einer vernichtenden Niederlage endete.

"Als wir in den Güterzug kletterten, sie stanken nach Vieh, die Waggons, die blutroten, da wurden unsere Väter laut und lustig mit ihren Blei-Gesichtern und sie haben verzweifelt ihre Hüte geschwenkt. Unsere Mütter verwischten mit buntfarbigen Tüchern ihre maßlose Trauer (...)"

Borcherts Gesundheitszustand war bereits durch erste Anfälle von Gelbsucht geschwächt, als er 1942 denunziert und beschuldigt wurde, sich durch Selbstverstümmelung (Borchert hatte eine Schussverletzung an der linken Hand) dem Wehrdienst entziehen zu wollen. Im Untersuchungsgefängnis in Nürnberg ließ man den Kranken über drei Monate, in Einzelhaft, auf seine Verhandlung warten. Eine Verhandlung, von der Borchert wusste, dass sie entweder mit Freispruch oder Todesstrafe enden würde! Die Verhandlung endete zwar mit einem Freispruch; er musste jedoch in Untersuchungshaft bleiben, da weitere Anschuldigungen gegen ihn bestanden. Wieder wurde dem 21jährigen der Prozess gemacht. Das Urteil des Naziregimes lautete schließlich: 6 Wochen verschärfte Haft mit anschließender "Frontbewährung", wegen "staatsgefährdender Äußerungen".

Die folgenden zwei Lebensjahre Borcherts waren geprägt von Standortwechseln und Fronteinsätzen unter härtesten Bedingungen. Im hart umkämpften Toropez (eine russische Stadt bei Tver’), wurde er ohne Waffe, nur ausgestattet mit einer Leuchtpistole, in direkter Feindesnähe eingesetzt.

"Die Freiheit ist tot. Alle Freiheit. Wohl haben wir unser inneres Reich – aber woran sollen wir noch glauben? (...) Da sitzen wir in Neros Mantel und singen – während alles versinkt und untergeht."

Borcherts Gesundheitszustand verschlechterte sich mehr und mehr. Weitere Gelbsuchtanfälle und Erfrierungen an den Füßen zwangen ihn mehrmals, sich in Lazaretten behandeln zu lassen. Im September 1943 wurde ihm Heimaturlaub bewilligt.

Der Bombenkrieg, mit dem die Alliierten seit 1942 die Nazis zu stoppen suchten, hatte auch Hamburg nicht verschont. Borchert fand eine Stadt vor, die einige Tage zuvor erheblich zerstört worden war.

Es gab keine Ruhe in dieser Stadt. Auch Wolfgang Borchert gönnte sich keine Ruhe. Er trat als Kabarettist im "Bronzekeller" auf, präsentierte dort Lieder und Brettlverse, u.a. "Brief aus Russland", "Der Tausendfüßler".

Zu seiner Kompanie zurückgekehrt, sollte Borchert als Dienstuntauglich eingestuft und einem Fronttheater zugewiesen werden. Doch dazu kam es nicht. Borchert wurde abermals denunziert. Dieses Mal wegen einer Parodie auf den "Reichsminister Dr. Goebbels"

Die Verunglimpfung des Propagandaministers wurde als "Zersetzung der Wehrkraft " geahndet. Monatelange Untersuchungshaft und die Verurteilung durch das "Zentralgericht des Heeres" zu neun Monaten Haftstrafe waren die Folge.

Im September 1944 folgte die Entlassung zur "Frontbewährung". Borchert wurde nach Jena beordert, musste seinen Dienst jedoch erst einige Wochen später antreten. Er verbrachte dort zunächst eine ruhige Zeit, in der er sein Leben und seine Ziele rekapitulier



2019-10-11 480 Обсуждений (0)
Nachts schlafen die Ratten doch 0.00 из 5.00 0 оценок









Обсуждение в статье: Nachts schlafen die Ratten doch

Обсуждений еще не было, будьте первым... ↓↓↓

Отправить сообщение

Популярное:
Почему человек чувствует себя несчастным?: Для начала определим, что такое несчастье. Несчастьем мы будем считать психологическое состояние...
Как построить свою речь (словесное оформление): При подготовке публичного выступления перед оратором возникает вопрос, как лучше словесно оформить свою...
Личность ребенка как объект и субъект в образовательной технологии: В настоящее время в России идет становление новой системы образования, ориентированного на вхождение...
Как вы ведете себя при стрессе?: Вы можете самостоятельно управлять стрессом! Каждый из нас имеет право и возможность уменьшить его воздействие на нас...



©2015-2024 megaobuchalka.ru Все материалы представленные на сайте исключительно с целью ознакомления читателями и не преследуют коммерческих целей или нарушение авторских прав. (480)

Почему 1285321 студент выбрали МегаОбучалку...

Система поиска информации

Мобильная версия сайта

Удобная навигация

Нет шокирующей рекламы



(0.013 сек.)